Prof. Dr. em. Hans Peter Lipp, Anatomisches Institut, Universität Zürich
Freitag, 27. November 2015, 20.00 Uhr
ZHAW, grosser Physikhörsaal, Technikumstrasse 9, 8400 Winterthur
Ein ungelöstes Problem in der Biologie bleibt die Fähigkeit von Zugvögeln und Brieftauben, ihre eigene Position zu bestimmen. Und dennoch finden sie heim oder fliegen zum Überwinterungsplatz – in Extremfällen quer über den Pazifik. Dies, auch wenn keine sichtbaren Anhaltspunkte vorhanden sind. Bisherige Theorien nahmen an, dass sie ihre Position mittels des Erdmagnetfeldes oder durch Geruchsinformationen bestimmen. Dies konnte allerdings nicht überzeugend belegt werden.
Der Vortragende betrieb Forschung an Brieftauben über lange Zeit parallel zu seiner akademischen Laufbahn, nämlich als Brieftaubenoffizier. In den letzten Jahren überprüfte er experimentell eine Theorie, welche postuliert, dass die Ortsbestimmung bei Vögeln auch aus dem Vergleich der erinnerten Richtung der Schwerkraft am Geburtsort und der Richtung der Schwerkraft am neuen Ort erfolgen kann. Dazu wurde mit dem Know-how des Armeebrieftaubendienstes in der Ukraine eine Infrastruktur aufgebaut, die erlaubte, Brieftauben aus Gravitationsanomalien aufzulassen und deren Flugwege mit GPS-Trackern aufzuzeichnen. Die Resultate zeigten tatsächlich, dass Tauben Gravitationsanomalien spüren und sogar ihre Position falsch bestimmen und den Heimschlag verfehlen. Das würde bedeuten, dass Vögel feinste Veränderungen in der Richtung der Schwerkraft wahrnehmen können, vielleicht mittels intrazellulärer Gravizeption. Das wäre die Grundlage für ein globales biologisches GPS-System und – vielleicht – die Lösung eines alten Rätsels.
Der Vortrag ist öffentlich und gratis. Gäste sind herzlich willkommen.